Wozu ein Videospielearchiv mit angeschlossenem Museum?
Videospiele sind der Türöffner für die Computerisierung der Privathaushalte in den 1970er und 1980er Jahren gewesen und haben sich im Laufe ihrer Geschichte als Kulturgut und Kunstform etabliert. Sie sind ein wichtiger Teil der Unterhaltungsmedien und gewinnen zunehmend an Bedeutung für ganze Industriezweige. Wichtig ist, dass sie eine Geschichte haben, die es auch Abseits von Emulation und virtuellen Räumen zu bewahren gilt. Dies gilt für Hard- und Software in ihrer Funktionalität, aber auch für die reinen Objekte als Zeitzeugen der Designgeschichte und der zeitgenössischen Vorstellungen von Modernität und Zukunft.
Die Gründung eines (möglichst nationalen) Videospielearchivs ist lange überfällig. Eine ganze Generation Firmen aus dem Bereich der digitalen Unterhaltung ist bereits verschwunden und mit ihnen die Dokumentation ihres Wirkens. Schon nach knapp 40 Jahren sind Informationen über Firmen, Personen, Geräte, Erfolge und insbesondere Fehlschläge im Bereich der Digitalisierung des privaten Alltags in Deutschlands nur noch schwer zu finden. Ein entsprechendes thematisches Archiv kann diese Lücke schließen, indem es solche Unterlagen zentral sammelt und öffentlich zugänglich macht. Darüber hinaus, kann es die Katalogisierung von thematisch relevanten Beständen anderer öffentlicher und privater Archive übernehmen.
Für die Teilhabe an der digitalisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sind mediale Kompetenzen eine Grundvoraussetzung. Ein Video-spielemuseum kann für deren Erwerb eine zentrale Stellung innerhalb einer Region einnehmen, indem es den Bürgern, Eltern und Kindern, Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern Know-how, Räumlichkeiten und technisches Equipment zur Verfügung stellt.
Ein Videospielemuseum bietet dem Standort zudem ein Alleinstellungs-merkmal im Portfolio regionaler und überregionaler Freizeit- und Tourismusangebote. Die Stärke eines Videospielemuseums ist hierbei, dass es generationsübergreifend funktioniert. Eltern können ihren Kindern zeigen, was sie früher gespielt haben und können gleichzeitig einen Einblick in die mediale Wirklichkeit ihrer Kinder bekommen. Kinder und Jugendliche wiederum können über ein Museum, das ihre Interessen anspricht, an das Konzept Museum herangeführt werden und erste Einblicke in die Technikgeschichte gewinnen.
Für Kommunen und Regionen, die sich als IT- oder Spieleentwicklerstandort profilieren wollen, bietet ein Archiv mit angeschlossenem Museum vielfältige Vorteile: Neben den eigentlichen archivarischen Aufgaben würden Archiv und Museum als Knotenpunkt für lokale und regionale Netzwerke dienen, als weithin sichtbares Zeichen regionaler Kompetenz wahrgenommen werden und direkt an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft einerseits und der Öffentlichkeit andererseits wirken können. Die Bewahrung und Ausstellung von geschichtlichen Artefakten bis hin zu modernen und innovativen Neuerungen ist zudem identitätsstiftend und kann den Zugriff auf bereits gefundene Lösungen und Lösungsansätze ermöglichen und Möglichkeiten einer öffentlich-keitswirksamen Präsentation eröffnen. Gerade in hoch qualifizierten, zukunftsorientierten Branchen sind es weiche Standortfaktoren, die oft den letzen Ausschlag bei Standortentscheidungen geben.
Die Darstellung der historischen Entwicklung ist ferner relevant für die Ausbildung in allen Forschungsbereichen über Computer- und Videospiele, wie z.B. der Spieleentwicklung, der Wirkungsforschung und damit verbunden dem pädagogischen Diskurs, aber auch den historischen Disziplinen der Kultur-, Wirtschafts- sowie Technikgeschichte.
Was gibt es schon und was ist zusätzlich notwendig?
Computer werden in der Bundesrepublik an verschiedenen Stellen gesammelt. Neben einer nennenswerten Anzahl privater Sammler, gibt es eine Reihe kleinerer und größerer institutionalisierter Einrichtungen, wie das Oldenburger Computer Museum (OCM), Universitäre Computermuseen, z.B. an der Universität Stuttgart, der Universität Greifswald und der Fachhochschule Kiel, sowie das Konrad Zuse Computermuseum Hoyerswerda. Zahlreiche Rechner und Großrechner befinden sich auch im Deutschen Museum in München. Das größte Computermuseum ist das in Paderborn ansässige Heinz Nixdorf MuseumsForum (HNF). Es gilt als das weltweit größte Computermuseum. Schwerpunkt aller dieser Einrichtungen ist zunächst einmal der Computer als Arbeitsgerät, d.h. Computer werden meist in der Tradition der Rechentechnik dargestellt. Einige dieser Einrichtungen zeigen darüber hinaus Videospiele als Randgebiet der Computerentwicklung.
Mit Videospielen beschäftigt sich in Deutschland vor allem das Berliner Computerspielemuseum, das sich dem Thema aus einer hauptsächlich medienwissenschaftlichen Perspektive annähert. Daneben gibt es in Karlsruhe den Verein Retrogames e.V., der sich dem Erhalt klassischer (Video-) Spielautomaten widmet und diese Geräte auch ausstellt.
Über die bereits bestehenden Einrichtungen hinaus, halten es die Initiatoren zunächst für dringend erforderlich, ein Videospielearchiv zu gründen und damit die Geschichte der deutschen Videospieleindustrie zu erfassen und zu sichern. Bisher gibt es eine historische Einordnung der Videospiele in die Entwicklung der Computertechnik und den Vergleich der deutschen Entwicklung mit der internationalen, bestenfalls in Ansätzen. Und das, obwohl sich z.B. die nicht nur wissenschaftlich bedeutsame Frage, warum sich an einem Hochtechnologiestandort wie der Bundesrepublik bisher keine nennenswerte Computer- und Videospieleindustrie herausbilden konnte, geradezu aufdrängt. Ein Hauptgrund hierfür dürfte sicherlich das Fehlen von zentral gesammelten Archivmaterialien sein, insbesondere aus der Frühphase dieses Industriezweiges in den 1970er Jahren und der Zeit des ersten Booms zu Beginn der 1980er Jahre. Die Aufgabe eines Videospielearchivs wäre es deshalb, zunächst die Entwicklung der Industrie zu erfassen und die noch zu findenden Bestände zu sichern. An das Archiv sollte ein Museum angeschlossen werden, das die Lücke in der deutschen Museumslandschaft schließt und mit einer umfassenden, ständigen Ausstellung die Geschichte der Computer- und Videospiele erfahrbar macht.
Wie könnte das Videospielearchiv mit angeschlossenem Museum realisiert werden?
Zur Realisierung des Projektes bieten sich zwei verschiedene Möglichkeiten an: Zum einen könnte das Videospielearchiv mit angeschlossenem Museum als isolierte Einrichtung gegründet werden. Zum anderen könnte es angebunden werden an eine bestehende Institution, die sich wissenschaftlich entweder mit der Computerspieleentwicklung (Ausbildung, Forschung), der Computergeschichte bzw. -entwicklung oder der allgemeinen Kultur-, Wirtschafts- oder Technikgeschichte befasst.
Die Vorteile einer Anbindung an eine bestehende Einrichtung wären geringere Kosten, die Möglichkeit der Erweiterung eines bestehenden Angebots, sowie die Erschließung neuer Zielgruppen für die bestehende Einrichtung.
Eine Realisierung des Archivs über ein Modell einer "Public Private Partnership" würde zudem noch die Kosten für die Sammlung und den Ankauf der Archivalien reduzieren und private Bestände für eine wissenschaftliche und breite öffentliche Nutzung erschließen.
Was können wir in eine solche "Public Private Partnership" einbringen?
Die Initiatoren verfügen über detaillierte Kenntnisse der deutschen und internationalen Geschichte und Gegenwart der Video- und Computerspiele, Erfahrungen bei der Ausstellung von Videospielen und eine umfangreiche Sammlung zur Thematik.
Den Grundstock für Museum und Archiv bilden fünf Privatsammlungen, die als (Dauer-) Leihgabe zur Verfügung stehen könnten. Sie umfassen zusammen ca. 30.000 Einzelstücke, darunter zahlreiche Unikate. Den Kern bilden etwa 1.300 verschiedene (Heim-) Computer, Tele- und Videospielgeräte, einige hundert Zubehörartikel und unzählige Handheld- und LCD-Spiele. Die Softwarebibliothek umfasst ca. 10.000 verschiedene Titel. Darüber hinaus beinhaltet die Sammlung etwa 1.500 Bücher und ca. 6.000 Zeitschriften zu Computern, Videospielen und verwandten Themen, ungefähr 1.000 Kataloge und etwas mehr als 200 DVDs und Videos. Abgerundet wird die Sammlung durch zahlreiche Poster, Aufsteller, Aufkleber, sonstige Merchandiseartikel und kleinere Bestände an Firmen- und Serviceunterlagen. Bei dieser Sammlung handelt es sich um eine der größten Videospielesammlungen weltweit.
Was wird zusätzlich benötigt?
Zur Errichtung des Videospielearchivs mit angeschlossenem Museum sind geeignete Räumlichkeiten, finanzielle Mittel für die Erstausstattung einer fachgerechten Präsentation sowie für den laufenden Unterhalt des Ausstellungsbereiches erforderlich. Anbieten würde sich die Anbindung an eine vorhandene Bibliothek, ein Archiv oder an ein Museum.
Zusätzlich müsste der öffentliche oder (weitere) private Partner (Firmen, Stiftungen) die Personalkosten für die fachliche Leitung und Betreuung (mindestens eine volle Stelle plus angemessene Verwaltungsressourcen) übernehmen sowie in begrenztem Umfang Mittel für den Ankauf weiterer Exponate oder Archivalien bereitstellen. Der größte Teil der Exponate und Archivalien zum weiteren Ausbau des Archivs soll jedoch nach Möglichkeit aus privaten (Sach-)Spenden stammen oder von einschlägigen Firmen zur Verfügung gestellt werden.